Im Anschluss an einen schon ein paar Wochen zurückliegenden Artikel in der SZ („Lehre zum Spottpreis“) gab es einige Gespräche im Umfeld der Professur und auch manche Blogeinträge dazu (Frank, Tobias), die mich beschäftigt haben. So hat Frank geschrieben, dass er eine Lösung sieht in Richtung der Losung „Jenseits der Festanstellung“. Obwohl ich Frank insgesamt zustimme und er konsequent daraus eine andere Haltung fordert, bereitet mir gerade das etwas Bauchschmerzen. Für mich ist meine aktuelle Uni-Tätigkeit immer ein Traumjob gewesen (und bis jetzt noch geblieben). Es wird mir aber schmerzhaft bewusst bzw. nun noch deutlicher, dass es dort eben keine „Sicherheit“ gibt (siehe hierzu auch einen interessanten Beitrag von Mandy Schiefner zu einem Text von Max Weber). Aber vermutlich wäre das tatsächlich etwas zu viel verlangt, denn dieser Arbeit ist an sich schon ein Privileg (relativ große Freiheit und Unabhängigkeit). Die Bezahlung finde ich gut, wobei ich das Glück habe, an der Uni eine (natürlich befristete) Stelle zu haben; aber letztlich ist das selbstverständlich eine Frage der Anspruchshaltung: wer viel verdienen will, wird kaum an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter aktiv sein, denn für vergleichbare Leistung würde woanders vermutlich mehr bezahlt. Jedoch geht es hier jetzt gar nicht um diesen Aspekt, sondern darum, wo der Haken ist. Und das ist meiner Meinung nach die mangelnde Perspektive. Wer so wie ich nicht habilitieren will (die Doktorarbeit reicht mir völlig und muss vor allem erstmal geschafft werden), wird irgendwann den Absprung vornehmen müssen, auch wenn das sehr schade ist. Naja, ich bin etwas vom Thema abgeschweift. Also: ich sehe es ähnlich wie Frank, bedauere zugleich aber ein wenig, dass die schöne kuschelige Zeit der Mittelbau-Anstellung rum ist. Gleichzeitig sehe ich auch Vorteile, denn dadurch wird man geradezu gezwungen, seinen eigenen Weg zu finden, was wohl langfristig das einzige „Erfolgsrezept“ sein wird. Und nach wie vor ist hier die Möglichkeit, eine gute work-life-balance hinzubekommen recht gut, wenngleich die Gefahr der Selbstausbeutung in solchen prekären Anstellungen nicht von der Hand zu weisen ist. Es braucht also auch Mut, um einen eher unkonventionellen und riskanteren (im Sinne von Jobsicherheit) Weg zu beschreiben. Das ist dann der Preis, der für mich aber durch die Chance zu persönlicher Entfaltung und Wachstum ausgeglichen wird. Freilich ist aber auch zu bedenken, dass dies an Grenzen stoßen kann, wenn eine Familie zu ernähren ist – so ein Modell ist also auf einen verständnisvollen Partner/in angewiesen, der diesen Lebensentwurf (auch finanziell) mit trägt. Damit fordert die „neue Uni“ viel von den „prekär Beschäftigten“, ich denke aber, dass dies für beide Seiten ebenso positive Potentiale beinhaltet, etwa der Zwang, sich „neu erfinden“ zu müssen, wie Frank es formuliert, also eine permanente Entwicklung vorangetrieben wird. Und das findet sich dann meiner Meinung nach ähnlich bei dem Eintrag von Tobias wieder (allerdings geht es dort eher um Studium), insbesondere im zugehörigen Kommentar von Frank, nämlich in den Gedanken zum humboldtschen Bildungsideal).
PS: Frank hat noch einen zweiten Eintrag im Anschluss an den oben genannten Blogpost geschrieben und dort hat sich eine sehr interessante (sowie philosophische) Diskussion mit Christian ergeben.
Nachtrag (November 2010): Da einige Links veraltet sind, hier die neuen URLs der o. g. Beiträge (Frank: hier und hier; Mandy: hier). Grund für dieses Update ist eine HIS-Studie zu „Wissenschaftliche Karrieren. Beschäftigungsbedingungen, berufliche Orientierungen und Kompetenzen des wissenschaftlichen Nachwuchses“ (hier der Eintrag beim Bildungsserver).
hallo Alex, ich bin mir bei all dem, was wir diskutierne unsicher. Fakt ist, dass es keinen sicheren Ort mehr gibt. Gab es den schon einmal? Weder die sog. Festanstellung (aus welchem Jahrhundert kommt das Wort?), noch der sog. freie Beruf geben Sicherheit. Man muss also bei beiden Varianten fragen, was genau hinter den Begriffen steht, wie „fest“ und wie „frei“ man hier oder da ist. Wenn die Zeitdiagnose der Unsicherheit stimmen sollte, dann ist die einzige Versicherung die der Flexibilität. Aber: nicht jeder kann und will dieses Prinzip zu seinem Gott machen. Und am Ende bin ich mir auch nicht sicher, ob eine multiflexible Gesellschaft lebenswert ist. Wo sind die Konstanten? Die Mischung macht es, Vielfalt führt zu Stabilität, Ameisen und Schmetterlinge, Eichen und Birken braucht das Land. Man müsste die Diskussion vielmehr über das Thema Stabilität führen, Leistung ist viel zu punktuell.
Hallo Frank,
vielleicht ist Sicherheit wirklich der falsche Begriff. Stabilität finde ich auch etwas passender, eventuell auch Kontinuität und Verlässlichkeit. Das klingt dann aber fast schon wieder so „starr“. Ich bin schon auch dafür, Freiraum zu haben und flexibel zu sein, aber wie du schon schreibst: es muss irgendwo eine Konstante geben. Alles in allem habe ich eher Fragen als Antworten, da ich selbst nicht weiß, was ich genau will. Ein reiner 08/15-Job jedenfalls wäre mir sicher zu langweilig und wohl auch zu „einengend“. Ich sammle einfach noch etwas Erfahrung und werde dann schon einen Weg finden 🙂 Es läuft für mich aber auf einen Mittelweg hinaus. Auch wenn das hier vielleicht nicht so richtig passt, aber es gibt ein gutes Zitat von Goethe, wo es heißt: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Und diese beiden Dinge im Beruf weiter entwickeln zu können, das wäre doch schön 🙂
Hi Beisammen,
Ich will mich mal eurer Diskussionsrunde anschließen. Toll – Soviele Weblogs – soviele Plätze und Hinterhöfe….. ich finde es cool, dass nicht alle in einem großen Multiblog drin sind, weil so muss man öfters mal auf eine andere Seite gehen – und das ist angenehm und gibt das Gefühl, dass man an einen Ort einer Person geht … – also ich bin jetzt bei Alex – Aber das nur am Rande…
Ich denke, Stabilität ist der richtige Begriff – und würde diesen Stabilitätsbegriff gerne auf Nachhaltigkeit erweitern. Ist es uns möglich, nachhaltige ökonomische Beziehungsnetze aufzubauen in denen wir uns ökonomisch weiterentwickeln können? Es ist doch letztlich unwichtig, ob Festanstellung oder Selbstständig – wichtig ist nur, dass man Monat für Monat – und irgendwann auch auf einen gewissen Zeitraum hin eine Versorgung sichergestellt ist und wir unter diesen Bedingungen gute Arbeit leisten können. Eine gewisse Sicherheit der Einkünfte ist irgendwann notwendig – denn nur so kann man auch zu dem Punkt kommen, die Aufträge richtig zu organisieren, eventuell Arbeitsleistung einzukaufen, schlecht bezahlte Aufträge abzulehnen usw. Des Weiteren kann man nur mit einer gewissen Ruhe neue Aufgaben ohne Atemnot und Kreativ angehen. Aber auch: Geldnot macht erfinderisch 😉
Nachhaltigkeit ist nicht automatisch in einer großen Organisation besser als als freier Unternehmer – denn auch dort kann man schnell eine Stelle verlieren – oder das Unternehmen geht in die Pleite – und wenn man dann an ein gewißes Arbeitsklima gewöhnt ist, und sich nicht umorientieren will, dann wird es vielleicht sehr schwer (und sehr unstabil!)
Ich persönlich bin selbstständig und haben eine halbe Stelle an der Uni. In dieser Kombination kann ich eine gewisse Stabilität und gleichzeitig Flexibilität erreichen. Aber auch als rein Selbstständiger muss man ja keineswegs in einer prekären Lebensituation stecken. Das ist sicher am Anfang so – die harten Jahre – aber das gibt sich bei einem erfolgreichen Konzept mit der Zeit. Das Prekariat ist also eine Übergangsphase, die jeder Selbstständige durchmachen muss (das erfährt man im übrigen auch in den Unterlagen des Arbeitsamtes ;-))!
Ich schließe mich Frank an – ich denke es sollte mehr Möglichkeiten für komplexe Lebenskonzepte geben. Vielfalt ist das Stichwort! Eine konsequente Nutzung der neuen Medien – wie wir es ja seit Jahren umsetzen – ermöglicht uns auch eine entsprechend geschlossene Arbeitsform in einem offenen Setting ohne Bürogebäude. So ist es möglich, über den Verlauf einer Woche, die beiden unterschiedlichen Aufgaben (Uni und Selbstständigkeit) kontinuierlich zu verfolgen – und damit Nachhaltigkeit und Stabilität zu generieren. Ein Hocker braucht drei Beine zum stehen.
Wichtig fände ich es auch, wenn es in der Gesellschaft neue Konzepte für eine Lebensplanung gäbe. Das Elterngeld ist hier sicher ein Schritt in die richtige Richtung! Ich würde Konzepte gegen Arbeitslosigkeit begrüßen, die es den Menschen ermögliche, diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Arbeitslosigkeit sollte umdefiniert werden – und jeder sollte mal Pflichtmäßig für mindestens ein Jahr „aussteigen“. Ein Grundgehalt ist eine gute Idee – setzt aber eine wache, ambitionierte Gesellschaft mit intrinsischen Motiven voraus – wenn ich das mal so formulieren darf. Die (selbstgewählte?) Unsicherheit unserer Zeiten (Fordern statt Fördern) ist bezeichnend für unser Menschenbild (welches zu einer self-fulfilling prophecy wird). Das demotivierte Selbst will nurmehr überleben und wird beim fordern aus seiner Lethargie gepeitscht.
Selbstständiges Arbeiten – um wieder zum Thema zurückzukommen – ist aus meiner Sicht ein hohes Gut – es ermöglicht uns Handeln aus eigenen (natürlich ökonomischen) Motiven. Wenn es schlecht läuft, kann man es beschimpfen – wenn es gut läuft, fühlt man sich wie ein Schmetterling im Wind – oder so – um an die Posie anzuschließen – ABER: Es ist ja nicht gesagt, dass ein „08/15 Job“ wie Du es bezeichnet hast, nicht auch selbstständiges Arbeiten bedeutet – und das Eingebundensein in eine größere Organisation bedeutet mitunter ja auch, dass in dieser Organisation Ziele größeren Ausmaßes und größerer gesellschaftlicher Bedeutung (Lehre und Forschung) mit größerer Sorgfalt verfolgt werden können. Der selbstständige Unternehmer kann dagegen auch leicht zum Sklaven seiner Kunden werden…. Ich würde also keine der Arbeitsformen pauschal in eine bestimmte Richtung hin werten. Es kommt immer auf den lokalen Kontext – und die Nachhaltigkeit des gesamten Settings an…
Hallo Christian,
vielen Dank für die umfangreiche und differenzierte Einschätzung. Vor allem die Ergänzung des Begriffs Nachhaltigkeit gefällt mir sehr gut, denn das ist wirklich einer der zentralen Aspekte. Ansonsten sind wir uns, denke ich, alle recht einig. Wie du schreibst, ist immer die individuelle Situation entscheidend, ob nun ein bestimmter Lebensentwurf sich auch mit einer passenden beruflichen Tätigkeit vereinbaren lässt. Und das erinnert mich wieder stark an unser interessantes Gespräch im Auto bei Rückfahrt aus Tübingen 🙂
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